“Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens” von Tom Barbash

 

„Berühmtheit erschien mir wie ein Fluch, etwas, vor dem es kein Entrin­nen gab. Sie ver­fol­gte einen über­all hin, machte es einem unmöglich, anonym zu bleiben. Man kon­nte sich nicht ein­fach in eine Bar set­zen und etwas trinken oder im Kaufhaus shop­pen gehen.“ 

Seite 316

Bud­dy Win­ter ist berühmt. Jeden Abend mod­eriert er eine beliebte Talk­show zur besten Sendezeit im US-amerikanis­chen Fernse­hen der 70er-Jahre. Bud­dy hat die ganz großen Stars auf der Couch seines insze­nierten Wohnz­im­mers sitzen und führt seine Gäste mit nahezu müh­elos­er Leichtigkeit durch die unter­halt­same Show. Dass diese Leichtigkeit oft jedoch nicht mehr als eine kun­stvoll aufge­baute Fas­sade eines unter enor­men Druck ste­hen­den Fernsehstars ist, merken die Zuschauer erst, als der beliebte Mod­er­a­tor urplöt­zlich vor laufend­en Kam­eras aus der Sendung flüchtet und zu ein­er Selb­stfind­ungsreise auf­bricht. In „Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens“ erzählt uns Bud­dys Sohn Anton von der Zeit nach dem Zusam­men­bruch seines Vaters und dem schwieri­gen Weg der Fam­i­lie zurück ins Showbusiness.

Einen schwieri­gen Weg musste auch ich als Leserin zurück­le­gen, als ich ver­suchte, in die Geschichte hineinzufind­en. Hat­te ich noch mit großen Erwartun­gen und ges­pan­nter Neugi­er das Lesen begonnen, so quälte ich mich ver­wirrt und gen­ervt durch die ersten 100 Seit­en, die mit der im Klap­pen­text ver­sproch­enen Hand­lung wenig zu tun hat­ten. Erst ab Seite 125 hat­te ich endlich das Gefühl, zu erfahren, wie Bud­dy Win­ter gemein­sam mit seinem Sohn den Weg zurück ins Fernse­hen sucht.

Auch schien sich der Autor durch ein nicht enden wol­len­des „Name­drop­ping“ stets aufs Neue selb­st übertrumpfen zu wollen, indem er bei jed­er sich bietenden Gele­gen­heit Namen von ver­meintlichen Berühmtheit­en ein­streute, mit denen ich über­haupt nichts anfan­gen kon­nte. Möglicher­weise liegt dies aber auch daran, dass ich mit meinen 23 Jahren schlicht kein Kind der 70er Jahre bin. Jeden­falls aber stellte sich bei mir schnell das Gefühl ein, dieses Buch habe nicht das Anliegen, mir das Showgeschäft ein­er mir frem­den Zeit näher zu brin­gen, son­dern sei eine Schatzk­iste für Insid­er mit Zitat­en aus Fil­men, die ich nicht ein­mal dem Titel nach kan­nte. Daher war das Lesen bisweilen ein frus­tri­eren­des Erlebnis.

Span­nend fand ich hinge­gen, den tech­nis­chen Fortschritt und die Geschichte des Fernse­hens mitzu­ver­fol­gen. Auch erhielt ich einige wertvolle Ein­blicke hin­ter die Kulis­sen des Geschäfts. Ich begann, die ele­mentare Bedeu­tung eines weit verzweigten Net­zw­erks zu ver­ste­hen; erah­nte den Druck, der bei jed­er Sendung auf dem Mod­er­a­tor, den Assis­ten­ten und den Pro­duc­ern lastete; lernte schlaglichtar­tig den schillern­den Musik­er John Lennon ken­nen. Doch mehr als Ahnun­gen und skizzen­hafte Umrisse kon­nte ich dem Buch lei­der nicht ent­nehmen. Die Geschichte zog wie ein vom Alko­hol- und Dro­genkon­sum der Pro­tag­o­nis­ten gedämpfter Trail­er an mir vor­bei, der an den entschei­den­den Stellen nicht in die Tiefe zu gehen ver­mochte. Hier wurde Poten­tial verschenkt.

Pos­i­tiv her­vorheben möchte ich abschließend jedoch die kurzweili­gen und nach­den­klichen Dialoge zwis­chen dem Vater Bud­dy Win­ter und seinem Sohn Anton. Zeit seines Lebens war Anton die rechte Hand seines berühmten Vaters. Die Show funk­tion­ierte nicht ohne Anton. Und doch ging es nie um ihn. Das latente Span­nungsver­hält­nis der bei­den Pro­tag­o­nis­ten arbeit­ete der Autor schön her­aus, was ich mit dem fol­gen­den Zitat illus­tri­eren möchte:

„Seit ich zehn gewe­sen war, hat­te ich im Schat­ten meines Vaters gestanden. 

Besprechun­gen mit Lehrern und Dozen­ten ende­ten regelmäßig mit Kom­mentaren zur Show, Fra­gen über die Gäste und, in einem Fall, der Bitte um Ein­trittskarten und Back­stagepässe, der ich stolz nachkam, was ich später allerd­ings bereute, als ich in dem Fach eine Eins bekam, weil ich mir nicht sich­er war, ob es meine oder Bud­dys Note war.“

Seite 291

Faz­it

Obgle­ich ich aus Tom Bar­bashs Titel „Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens“ inter­es­sante Ein­blicke in das Fernse­hgeschäft der 70er Jahre und die Schat­ten­seit­en im Leben eines berühmten Mannes mit­nehmen kon­nte, blieb die Erzäh­lung für mich sel­ten mehr als die Idee dessen, was sie hätte sein können.


Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens

Tom Bar­bash | über­set­zt von Michael Schickenberg

KiWi Ver­lag | 352 Seit­en | Hardcover

ISBN 978–3‑462–05311‑1 | 22 Euro

Katharina

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