„Berühmtheit erschien mir wie ein Fluch, etwas, vor dem es kein Entrinnen gab. Sie verfolgte einen überall hin, machte es einem unmöglich, anonym zu bleiben. Man konnte sich nicht einfach in eine Bar setzen und etwas trinken oder im Kaufhaus shoppen gehen.“
Seite 316
Buddy Winter ist berühmt. Jeden Abend moderiert er eine beliebte Talkshow zur besten Sendezeit im US-amerikanischen Fernsehen der 70er-Jahre. Buddy hat die ganz großen Stars auf der Couch seines inszenierten Wohnzimmers sitzen und führt seine Gäste mit nahezu müheloser Leichtigkeit durch die unterhaltsame Show. Dass diese Leichtigkeit oft jedoch nicht mehr als eine kunstvoll aufgebaute Fassade eines unter enormen Druck stehenden Fernsehstars ist, merken die Zuschauer erst, als der beliebte Moderator urplötzlich vor laufenden Kameras aus der Sendung flüchtet und zu einer Selbstfindungsreise aufbricht. In „Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens“ erzählt uns Buddys Sohn Anton von der Zeit nach dem Zusammenbruch seines Vaters und dem schwierigen Weg der Familie zurück ins Showbusiness.
Einen schwierigen Weg musste auch ich als Leserin zurücklegen, als ich versuchte, in die Geschichte hineinzufinden. Hatte ich noch mit großen Erwartungen und gespannter Neugier das Lesen begonnen, so quälte ich mich verwirrt und genervt durch die ersten 100 Seiten, die mit der im Klappentext versprochenen Handlung wenig zu tun hatten. Erst ab Seite 125 hatte ich endlich das Gefühl, zu erfahren, wie Buddy Winter gemeinsam mit seinem Sohn den Weg zurück ins Fernsehen sucht.
Auch schien sich der Autor durch ein nicht enden wollendes „Namedropping“ stets aufs Neue selbst übertrumpfen zu wollen, indem er bei jeder sich bietenden Gelegenheit Namen von vermeintlichen Berühmtheiten einstreute, mit denen ich überhaupt nichts anfangen konnte. Möglicherweise liegt dies aber auch daran, dass ich mit meinen 23 Jahren schlicht kein Kind der 70er Jahre bin. Jedenfalls aber stellte sich bei mir schnell das Gefühl ein, dieses Buch habe nicht das Anliegen, mir das Showgeschäft einer mir fremden Zeit näher zu bringen, sondern sei eine Schatzkiste für Insider mit Zitaten aus Filmen, die ich nicht einmal dem Titel nach kannte. Daher war das Lesen bisweilen ein frustrierendes Erlebnis.
Spannend fand ich hingegen, den technischen Fortschritt und die Geschichte des Fernsehens mitzuverfolgen. Auch erhielt ich einige wertvolle Einblicke hinter die Kulissen des Geschäfts. Ich begann, die elementare Bedeutung eines weit verzweigten Netzwerks zu verstehen; erahnte den Druck, der bei jeder Sendung auf dem Moderator, den Assistenten und den Producern lastete; lernte schlaglichtartig den schillernden Musiker John Lennon kennen. Doch mehr als Ahnungen und skizzenhafte Umrisse konnte ich dem Buch leider nicht entnehmen. Die Geschichte zog wie ein vom Alkohol- und Drogenkonsum der Protagonisten gedämpfter Trailer an mir vorbei, der an den entscheidenden Stellen nicht in die Tiefe zu gehen vermochte. Hier wurde Potential verschenkt.
Positiv hervorheben möchte ich abschließend jedoch die kurzweiligen und nachdenklichen Dialoge zwischen dem Vater Buddy Winter und seinem Sohn Anton. Zeit seines Lebens war Anton die rechte Hand seines berühmten Vaters. Die Show funktionierte nicht ohne Anton. Und doch ging es nie um ihn. Das latente Spannungsverhältnis der beiden Protagonisten arbeitete der Autor schön heraus, was ich mit dem folgenden Zitat illustrieren möchte:
„Seit ich zehn gewesen war, hatte ich im Schatten meines Vaters gestanden.
Besprechungen mit Lehrern und Dozenten endeten regelmäßig mit Kommentaren zur Show, Fragen über die Gäste und, in einem Fall, der Bitte um Eintrittskarten und Backstagepässe, der ich stolz nachkam, was ich später allerdings bereute, als ich in dem Fach eine Eins bekam, weil ich mir nicht sicher war, ob es meine oder Buddys Note war.“
Seite 291
Fazit
Obgleich ich aus Tom Barbashs Titel „Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens“ interessante Einblicke in das Fernsehgeschäft der 70er Jahre und die Schattenseiten im Leben eines berühmten Mannes mitnehmen konnte, blieb die Erzählung für mich selten mehr als die Idee dessen, was sie hätte sein können.
Mein Vater, John Lennon und das beste Jahr unseres Lebens
Tom Barbash | übersetzt von Michael Schickenberg
KiWi Verlag | 352 Seiten | Hardcover
ISBN 978–3‑462–05311‑1 | 22 Euro