“Kinder ihrer Zeit” von Claire Winter

„Obwohl wir in ein­er Stadt wohnen, leben wir doch in ver­schiede­nen Wel­ten. Es gibt Augen­blicke, da habe ich Angst, du kön­ntest mir ein­fach wieder ent­gleit­en“, ges­tand Emma.

Seite 371

Emma und Alice sind Zwill­ingss­chwest­ern. Als sie von einan­der getren­nt wer­den, sind die bei­den noch Kinder. Die Mäd­chen fliehen im Win­ter des Jahres 1945 mit ihrer Mut­ter aus Ost-Preußen vor den rus­sis­chen Angrif­f­en, als sie von einem Über­fall der sow­jetis­chen Armee über­rumpelt wer­den. Emma find­et gemein­sam mit ihrer verzweifel­ten Mut­ter in West-Berlin eine neue Heimat, während Alice von einem sow­jetis­chen Sol­dat­en gerettet und in einem Kinder­heim in Ost-Berlin unterge­bracht wird. Die Zwill­ingsmäd­chen wis­sen jedoch nichts voneinan­der und glauben einan­der viele Jahre lang für tot. Als sie einan­der 12 Jahre später wiederfind­en, ist Deutsch­land bere­its in einem sich zus­pitzen­den Ost-West-Kon­flikt ges­pal­ten. Wer­den die bei­den jun­gen Frauen sich trotz ihrer so fun­da­men­tal ver­schiede­nen Leben­sum­stände und der dro­hen­den Teilung Berlins wieder an einan­der annäh­ern können?

Mit aus­drucksstark­er Sprache erschafft die Autorin Claire Win­ter in ihrem neuen Titel „Kinder ihrer Zeit“ lebendi­ge und authen­tis­che Bilder von jun­gen Men­schen auf der Suche nach ihrem Platz in einem zer­ris­se­nen Deutsch­land. Schein­bar müh­e­los find­et sie wieder und wieder die richti­gen Worte, um die stete Bek­lem­mung und den emo­tionalen Zwies­palt ihrer Fig­uren zwis­chen den ver­härteten Fron­ten Ost- und West­deutsch­lands zum Aus­druck zu brin­gen. Auf jed­er Seite spüren wir die „Atmo­sphäre des kalten Krieges, des Sich-Auss­pi­onierens und des Kampfes der Sys­teme gegeneinan­der“ (Seite 570) nahezu kör­per­lich. Die Geschichte liest sich daher über­aus flüs­sig und mir per­sön­lich fiel es aus­ge­sprochen schw­er, diesen Titel aus der Hand zu legen.

Dies ist nicht zulet­zt der kom­plex­en Hand­lung geschuldet, die aus ver­schiede­nen Erzählper­spek­tiv­en mal von muti­gen, mal von feigen, mal von unter­drück­ten und mal von unter­drück­enden – jeden­falls aber von einzi­gar­ti­gen – Charak­teren geschildert wird. Die Erzäh­lung gelangt so zu ein­er beson­deren Vielschichtigkeit. Es ist beein­druck­end, wie let­ztlich vom Anfang bis zum Ende sukzes­sive alle Erzählstränge zusam­menge­führt wer­den. Diese Erzählweise macht den beson­deren Charme dieses Buch­es aus und gestal­tet es mit­samt all sein­er über­raschen­den Wen­dun­gen außeror­dentlich spannend.

Abgerun­det wird die fes­sel­nde Hand­lung durch eine gelun­gene his­torische Ein­klei­dung. Mit nahezu beiläu­figer Leichtigkeit ler­nen die Leserin­nen und Leser zahlre­iche span­nende Hin­ter­gründe des Lebens in der DDR ken­nen. Als Kind der 90er Jahre habe ich per­sön­lich die Teilung Deutsch­lands nicht miter­lebt und kan­nte sie lediglich aus dem Geschicht­sun­ter­richt. Dieser Roman aber ermöglichte mir einen völ­lig neuen Blick auf das Leben im Deutsch­land des kalten Krieges. Die sorgfältig recher­chierten Details ließen mich einen Blick durchs Schlüs­sel­loch in die Wohnz­im­mer der Men­schen wer­fen; Sie zeigten mir den „Beruf­sall­t­ag“ der zahlre­ichen Spi­onin­nen und Spi­one jen­er Zeit und zeich­neten ein ungeschöntes Bild von einem dik­ta­torischen Sys­tem des Sozialismus.

Faz­it

Claire Win­ters neuer Titel ver­mochte mich von der ersten Seite an mitzunehmen und zu begeis­tern! Wenn Du Dich auch gern in eine andere Zeit hinein­ver­set­zt, mit starken Charak­teren mit­fiebern und Dein Wis­sen über das Leben im Deutsch­land des kalten Krieges ver­tiefen möcht­est, dann kann ich Dir diese wun­der­bare Geschichte nur sehr empfehlen!


Kinder ihrer Zeit

Claire Win­ter

DIANA Ver­lag | 576 Seit­en | Hardcover

ISBN 978–3‑453–29195‑9 | 20 Euro

 

 

Katharina

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