„Ich glaube, ich bin damals auch Mönch geworden, um Fragen zu vermeiden.
Ich habe die Antwort vor den Fragen gegeben.“
Seite 216
„Kann man das leben, mit dem Zölibat?“ (S. 156) – Dies ist die erste Frage des 19-jährigen Lucian, der nichts mehr möchte als sein Leben im Benediktinerkloster in den Dienst Gottes zu stellen. Bruder Lukas ist verlegen um Antworten. Er fragt sich, was bewegt einen jungen Mann zu diesem großen Schritt ins Kloster? Was hält ihn dort? Ora et labora – ein Leben lang? Nachdem Lukas‘ enger Vertrauter – Bruder Andreas – vor Kurzem erst das Kloster verlassen hat, um eine Familie zu gründen, sind die Zweifel da. Lukas gerät ins Wanken. Er trauert um seinen „verlorenen“ Freund Andreas, hadert mit sich und seinen Überzeugungen; die intensive Begegnung mit einer sehr besonderen Frau lässt Lukas mit Gott um die Frage nach dem richtigen Leben ringen.
„Ich bin ein Möchtegern, ein Mönchtegern, ein Leben lang schuldig.“
Seite 225
„Aus der Mitte des Sees“ ist eine Geschichte, die auf ganz leisen Sohlen daherkommt. Die Beschreibungen der Landschaft und Naturereignisse sind atmosphärisch dicht und ermöglichen ein regelrecht meditatives Eintauchen in das klösterliche Leben am See. Das Schwimmen im See ist Lukas‘ Ankerpunkt, sein Weg zu klaren Gedanken; das Wasser trägt ihn zu schwierigen Entscheidungen und beinhaltet eine Gottesmetapher, die mir persönlich sehr gefallen hat. Das Lesen dieser Geschichte ist eine sehr beruhigende Erfahrung. Manch einen mag dies überaus langweilen und davor sei an dieser Stelle gewarnt. Auch ich habe lange gebraucht, um richtig in die ruhige Stimmung des Buches hineinzufinden.
Die Geschichte selbst ist ein innerer Monolog aus der Perspektive von Bruder Lukas, der an den geschilderten 14 Tagen seinen Überlegungen freien Lauf lässt. Hier gewährt Lukas spannende Einblicke in das alltägliche Leben im Kloster, in seine Aufgaben, die täglichen Gebetsrituale und die strengen Regeln im brüderlichen Miteinander. Leider ist diesem Stilmittel des inneren Gedankenstroms auch eine gewisse Unstrukturiertheit, ja das Fehlen eines irgendwie gearteten roten Fadens immanent. Lukas springt oft in seinen Gedanken, redet mal diesen und mal jenen an. Dem zu folgen, erfordert viel Konzentration.
Sehr schade finde ich, dass dieses Buch unfassbar viele ebenso spannende wie wichtige Fragen aufwirft, diese aber letztlich einfach nicht beantwortet. Warum ist Bruder Lukas ins Kloster eingetreten? Kann man wirklich leben mit dem Zölibat? Ist ein Leben ohne Sünde möglich? Man weiß es einfach nicht. Dadurch gerät das Buch zu einer bloßen Skizze, einer vagen Ahnung dessen, was es hätte sein können.
Fazit
„Aus der Mitte des Sees“ ist eine entschleunigende Erfahrung, die einen um vielseitige Einblicke in das Leben mit und für Gott bereichert, einen neue Perspektiven einnehmen lässt, viele Fragen zum eigenen Nachdenken aufwirft – und leider völlig offen lässt.
Moritz Heger
Diogenes Verlag | 256 Seiten | Hardcover
ISBN: 978–3‑257–07146‑7 | 22 Euro